Glühwürmchenloben

Andere Stadtbewohner: Entlang des Flussufers ist man nachts derzeit von Glühwürmchen umgeben. Sie girlanden den Weg zur Rechten und Linken, wie sie so im Gebüsch und überm Gras tanzen, man fühlt sich beinah festlich nach Hause geleitet – vorausgesetzt, man schiebt sein Fahrrad und hat sein Vorderlicht aus, statt die Nacht mit einem dieser LED-Nebelscheinwerfer auszuleuchten, die autohalber sinnvoll, aber für dunkle Parkwege doch etwas übertrieben sind. Im zweiten Fall wären die Glühwürmchen vermutlich auch da, aber man würde sie glatt verpassen und obendrein vielleicht sogar noch stören. Schiebt man sein Fahrrad hingegen fußgängerhaft unbeleuchtet, wird man zwar eventuell von Einzelexemplaren der geschätzten Mitmenschen angemault, die offenbar sogar um diese Zeit und tief im Park noch meinen, dass dringend alle es so eilig zu haben hätten wie sie selbst; aber die Mehrheit der Anwesenden, Glühwürmchen nämlich, stört es nicht.
Eins davon setzte sich für ein paar Umdrehungen in die Speichen des Vorderrads, huiiii, Karusell, bis es genug hatte und wieder abflog. Bitteschön, es war mir eine Ehre.

Vermutlich waren es ganz ursprünglich mal Glühwürmchen, so von der Idee her, warum wir jetzt Feenglitzer und Sternenstaub und all das Zeug in Filmen haben und Musikvideos und Bühnenshows, bei denen es immer da flimmerig aufleuchtet, wo der Angestrahlte gerade hintanzt. Weil so ähnlich, nur ohne das Zuviele daran, ist es, auf einem Weg zwischen Glühwürmchenwolken entlangzugehen. Glühwürmchen sind besser, und es ist ein bisschen großer Freude wert, dass es sie von selbst und in echt einfach so gibt, man ist Unwirklichschönes ja nicht unbedingt allenthalben gewohnt, wenn man sich so umsieht.
Hier könnte man ein Loblied auf Libellen einfügen, mit denen es sich ähnlich verhält, aber um beim Thema zu bleiben: Wenn ich mich das nächste Mal im Krautgarten frage, warum bitteschön es unbedingt so was wie Nacktschnecken geben muss, ob es die unekligen schnirgeligen nicht auch täten, sag ich mir: Weil, Glühwürmchen.[1] Es kann offenbar nicht alles mit Schnirgelhäuschen und Feenleuchtpopsch einhergehen, aber immerhin gibt es Ausgleich. Man könnte der Meinung sein, Ekelzeug und Woah würden sich die Wage halten, solange keine Leute involviert sind. Dann vielleicht sogar immer noch, aber darüber müsste man noch mal nachdenken.

Am nächsten Tag sehr früh im Park, nahe des thailändischen Buddha, der im Morgennebel über seinem Teich steht und lächelt, zwei noch sehr kleine pechschwarze Kaninchen. Wage halten: Kleine Kohlekaninchen wiegen so gesehen jedes für sich mehrere Tonnen.

***

Von wegen Kohle – möchte man „Die Akkumulation des Kapitals“ von Rosa Luxemburg online antiquarisch kaufen, bekäme man als billigstes Angebot eine zerfledderte Raubkopie zweifelhaften Umfangs für 17 Euro. Alternativ kann man sich die Erstausgabe ins Regal stellen, das macht dann 1001 Euro. Die Realität als Metakommentar.

 

[1]Es gibt sogar einen tatsächlichen Zusammenhang, wie ich inzwischen hier gelernt habe.