Wunsch

Ich wünschte, ich wäre in einer fremden Stadt in einem Hotelzimmer, an der Zimmerdecke eine Lampe mit mattgelbem Schein; es würde regnen, und auf der Straße unterm Fenster, einer Geschäftsstraße, in der nachts die Schaufenster beleuchtet sind und die alten Fassaden geschwungene Neonschriftzüge hochhalten, aber ansonsten dunkel stehen, und wo Menschen auf dem Trottoir den wenigen Bars entgegenstrebten, solange es noch früher am Abend war und noch nicht so stark regnete – auf der Straße führe ein großes dunkles altes Taxi vorbei, das Dachschild gelöscht, und ließe Pfützenwasser im hohen Schwall über den Asphalt und den Rinnstein waschen. Die Wand über dem Bett wäre mit einer gefältelten altweißen Stofftapete angetan, die Leselampe hätte einen Arm aus Messing und eine starke Kerzenbirne unter dem Schirm aus Opalglas, ich säße im Bett und läse, ans Kopfteil gelehnt, und könnte jederzeit das Licht löschen und mich im Dunkeln zurechtlegen unter der fremden, kühlen, etwas steifen Decke, die Nase im schwachen sauberen Geruch des Kopfkissenbezugs, und die Stadt um mich her wäre alt und mir neu und erwartete von mir – überhaupt nichts, sie kümmerte sich gar nicht um mich und ließe mich von ihrem Straßenplan verschwinden als einen Fußgänger, einen bloßen Passanten, der hier am nächsten Tag nur etwas zu erledigen hätte, etwas Abgestecktes, Wohldefiniertes, die nötigen Papiere und Notizen dafür sorgfältig geordnet und beruhigend in einer Mappe im Deckelfach des Koffers verstaut, um sie herum sehr viel Zeit, viel Verschwinden auf dem Weg woandershin, für wenig pflichtgemäße Präsenz eingehandelt; und jetzt nur bloße Nacht, unverstellt.

Der letzte Satz handelte von Schlaf und nicht vom Morgen, von keinem Sonnenaufgang und ganz sicher von keiner Schale Kaffee; nicht von dir, nicht vom Telefon auf dem Nachttisch, auch nicht vom Schatten, den der Kleiderständer im Licht der Straßenlaterne wirft.
Ich dächte vermutlich an dich in aller Fremdheit, aber der letzte Satz handelte von Schlaf.